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Sammeltrieb

Von Barbara Maey | 1. Juli 2023

Eigentlich hatte ich gedacht, meinen kindlichen Sammeltrieb überwunden zu haben. Doch als Weinliebhaberin habe ich im Erwachsenenleben wieder angefangen, meine Hosentaschen mit Steinen zu füllen auf Ausflügen.

Als Kind war ich eine richtige Sammlerin. Unter anderem füllte ich auf Ausflügen und Reisen meine Hosentaschen immer mit Steinen. Nicht etwa aus geologischem Interesse, sondern weil sie schön glitzerten oder von einer besonderen Farbe waren. Von den meisten gesammelten Schätzen habe ich mich im Erwachsenenalter irgendwann getrennt.

Allerdings kehrte ich unlängst von einer Reise an die Loire und nach Chablis wieder mit einer Handvoll Steinen im Gepäck zurück. Eingepackt habe ich unter anderem ein ca. 150 Millionen Jahre altes, ton- und kalkhaltiges Exemplar mit fossilierten Muscheln. Das Gestein trägt den Namen des Städtchens Kimmeridge an der südenglischen Küste, die bekannt ist für die weissen Felsformationen. Diese tauchen unter den Ärmelkanal ab und kommen stellenweise in Frankreich wieder an die Oberfläche: in der Champagne (Côte de Bar), in Chablis und in Sancerre und Pouilly Fumé an der Loire. Diese Stellen sind sehr gut zu erkennen, denn wie auf Inseln in einem Meer von Äckern wachsen dort Reben. Der Boden ist sehr karg, er enthält viele Steine und vor allem: natürliche Sulfite, die durch die Verwitterung der Fossilien im Laufe der Jahrtausende entstanden sind. Dadurch weisen die Weine nebst einer ausgeprägten Aromatik viel Säure und eine salzige Mineralität auf. Es ist kein Zufall, dass es all diese Appellationen zu Weltruhm gebracht haben.

Mein Kimmeridge stammt aus Sancerre, wo dieser Bodentyp Terres Blanches genannt wird und neben den Caillottes und dem Silex eines von drei Terroirs ist. Im Glas widerspiegeln sich diese: Weine von den Terres Blanches leben von der Spannung zwischen Vollmundigkeit und frischer Mineralität, auf den Caillottes wachsen elegante Weine mit und blumig-fruchtig-zitrischen Aromen, auf Silexböden wiederum entstehen komplexe Weine mit Noten von Feuerstein, weissen oder gar exotischen Früchten. Wie die Böden die Weine so unterschiedlich prägen, und das auf so engem Raum, fasziniert mich – und diese Faszination liess meinen Sammeltrieb neu aufleben.

Zur Autorin

Im Wein soll die Wahrheit liegen, sagten die Römer. Und die ist bekanntlich subjektiv – genauso wie Wein letztlich Geschmackssache ist. Barbara Maey bloggt als La Terroiriste über ihre Wahrheiten und Lieblingsweine, aber auch über Anbaumethoden und den gesellschaftlichen Umgang mit Alkohol. Viel Spass bei der Lektüre!


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