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Trocken oder fruchtig? Beides!

Von Barbara Maey | 1. Juni 2023

Ob der Wein trocken oder fruchtig sein soll, fragt das Servicepersonal oft. Dabei geht beides gleichzeitig!

Jetzt ist es schon wieder passiert: ich erkundige mich in einem Restaurant nach den Weissweinen im Offenausschank. Um mir bei der Entscheidung zu helfen, fragt mich der Kellner: «Möchten Sie lieber einen fruchtigen oder einen trockenen Weisswein?» Meine zugegebenermassen etwas boshafte Antwort lautet: «Ich hätte gern ein Glas trockenen, fruchtigen Weissen.»

Ein Wein kann fruchtig und trocken zugleich sein, denn fruchtig bezieht sich auf das aromatische Spektrum des Weins: welche Noten entfaltet dieser in der Nase und im Gaumen?

Trocken hingegen bezieht sich auf den Süssegrad, also die Menge Restzucker, die ein Wein enthält. Wenn er trocken ist, dann heisst das, dass er nicht süss ist. Wenn er nicht trocken ist, gibt verschiedene Abstufungen: restsüss (oder neudeutsch: off-dry), halbtrocken (oder deutsch: feinherb), edelsüss.

Trocken und fruchtig schliessen sich gegenseitig nicht aus, sondern bezeichnen unterschiedliche Eigenschaften. Die Bezeichnung trocken wird – auch in der Gastronomie – oft fälschlicherweise im Sinne von «nicht fruchtig» verwendet. Wenn eine Kundin bei mir nach einem trockenen Wein fragt, versichere ich mich immer zuerst, was sie unter trocken versteht: nicht süss oder nicht fruchtig?
Aber was ist denn ein Wein, wenn er nicht fruchtig ist? Blumig zum Beispiel. Oder würzig. Kräutrig. Pflanzlich. Rauchig. Fruchtig auf der anderen Seite umfasst auch ein variantenreiches Spektrum von Aromen: geht die Fruchtigkeit in Richtung Kernobst oder Steinobst? Sind da Beeren auszumachen? Zitrusfrüchte? Tropische Früchte? Frische Früchte oder gedörrte Früchte? Ziemlich komplex ist das.
Aber allzu kompliziert darf es nicht sein beim Wein bestellen, einverstanden? Was hilft Ihnen denn, wenn Sie Wein auswählen im Restaurant? Kommen Sie mit den (Pseudo)Kategorien trocken und fruchtig zurecht? Vielleicht störe ich mich an etwas, das eigentlich ganz gut funktioniert in seiner Imperfektion. Hauptsache wir haben ein gutes Glas Wein auf dem Tisch, oder?

Zur Autorin

Im Wein soll die Wahrheit liegen, sagten die Römer. Und die ist bekanntlich subjektiv – genauso wie Wein letztlich Geschmackssache ist. Barbara Maey bloggt als La Terroiriste über ihre Wahrheiten und Lieblingsweine, aber auch über Anbaumethoden und den gesellschaftlichen Umgang mit Alkohol. Viel Spass bei der Lektüre!


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