Als ich zur Vorbereitung auf diese Kolumne nach Meinungen zum Thema «alkoholfreier Januar» suche, öffnet sich mir eine bisher unbekannte Welt: ganze Websites widmen sich diesem Thema, natürlich gibt es auch Instagram Accounts, Hashtags, Communities und Challenges rund um dieses Thema, das da durchwegs Dry January heisst.
Nach ein paar weiteren Klicks gelange ich zum Thema Sober October. Da beschliesse ich, die Suche einzustellen und mit dem Schreiben zu beginnen. Wer weiss, ob sich nicht für jeden Monat ein flotter Slogan für ein alkoholfreies Leben findet? Dry July wäre ja der perfekte Reim. Oder wie wär’s mit No Liver Decay in May, Immune June, Total Surrender in September, Remember Dry January in November? Dann müsste ich mich nicht nur im Januar damit herumschlagen, dass unzählige Communities um mich herum den alkoholfreien Monat feiern, ich aber nicht daran denke, mich ihnen anzuschliessen.
Auf Alkohol zu verzichten fällt mir nicht schwer, auf Wein zu verzichten aber schon. Klar, ein Leben ohne Alkohol und also ohne Wein wäre gesünder. Auch ein Leben ohne Zucker wäre gesünder, ein Leben mit mehr Sport, mehr Vollkornprodukten, weniger Pommes Chips und Croissants… Sicherlich schadet es auch nicht, die Welt wieder einmal ganz nüchtern zu betrachten. (Wirklich nicht?)
In mir sträubt sich etwas gegen die Bewegungen, die den Verzicht feiern und darin das makellose Heil suchen (wirklich neu ist das ja auch nicht: in Klöstern wird das schon lange praktiziert). Da sind mir Vorsätze lieber, die darauf abzielen, Gewohnheiten langfristig zu ändern. Ich kann so nach einer Vollkommenheit streben, in der dunklen Vorahnung, dass ich sie nie erreichen werde. Aber das ist ok. Streben und Scheitern sind zwei Pole, die das Leben reicher und spannungsvoller machen. Wie sagte Samuel Beckett nochmals? Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.
Kommen Sie gut durchs neue Jahr!