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Schtinkt’s?

Von Barbara Maey | 17. November 2020

Schtinkt’s? Das wurde ich als Kind immer gefragt, wenn ich an irgend etwas roch. Schon damals habe ich meine Nase überall hineingesteckt. Nicht nur in die offensichtlich duftigen Dinge wie Blumen oder Parfumflaschen, sondern auch in Dinge, die auf den ersten Blick – ha! – nicht duftig sind.

Das ist es ja: der Blick ist unser dominanter Sinn, mit dem wir die Welt im Alltag wahrnehmen, beurteilen und kategorisieren. Für das Wort riechen gibt es im Schweizerdeutschen gar keine Entsprechung. Schmöcke deckt die Bedeutung der deutschen Verben riechen und schmecken ab. Ob sich diese semantische Feinheit wohl auch in einer feineren Sinneswahrnehmung spiegelt? Ich bezweifle es.

Vielleicht haben auch Sie schon eine Situation erlebt, wie sie Marcel Proust in seiner berühmten Madeleine-Episode schildert: ein Duft vermag Erinnerungen zu wecken, die wir längst vergessen haben und kann uns geradezu in eine andere Zeit versetzen. Aber wie ist das im Alltag? Gerüche umgeben uns dauernd, doch bewusst wahrgenommen werden sie nur selten.

Welche Funktion gestehen Sie Ihrer Nase denn ein? Könnte es sein, dass Sie sie vornehmlich zum Atmen oder allenfalls als Brillenhalter nutzen?

Sie riechen nichts, wenn Sie Ihre Nase in ein Weinglas stecken? Oder zumindest nicht das, was in den blumigen Weinbeschrieben steht – Zwetschgenkompott, Zitronenschale, Laub, Weinbergpfirsich, Magnolie, Zimt….?

Klar riechen Sie die gekochte Zwetschge im Weinglas nicht, wenn Sie nie bewusst an einem Zwetschgenkompott gerochen haben. Probieren Sie’s! Fangen Sie einmal ausserhalb des Weinglases an zu schnuppern. An einem Apfel bevor sie reinbeissen und nochmals, nachdem Sie reingebissen haben. An einem frischen, knackigen Apfel und an einem überreifen, schrumpeligen. An Ihrer Lederjacke. Oder an der Jeansjacke. An dem Buch, das Sie gerade lesen. An einem trockenen Stein und dann an einem feuchten Stein. Am Küchentisch. An einer Scheibe frisch gebackenen Brotes. Und ich verspreche Ihnen: es wird Ihnen ein neues Universum aufgehen.

Schtinkt’s? Werde ich noch heute oft gefragt, wenn ich an etwas rieche. Tja, in der Schweiz haben wir halt kein anderes Wort dafür….

Zur Autorin

Im Wein soll die Wahrheit liegen, sagten die Römer. Und die ist bekanntlich subjektiv – genauso wie Wein letztlich Geschmackssache ist. Barbara Maey bloggt als La Terroiriste über ihre Wahrheiten und Lieblingsweine, aber auch über Anbaumethoden und den gesellschaftlichen Umgang mit Alkohol. Viel Spass bei der Lektüre!


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