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Nicht weinen!

Von Barbara Maey | 10. Oktober 2022

Lacrima di Morro d'Alba ist kein prominenter Star unter den Rebsorten. Sie wird auch nur auf einem kleinen Gebiet in den Marken angebaut. Und sucht geschmacklich ihresgleichen.

Lacrima di Morro d’Alba – schon mal gehört? Nein, es ist nicht wirklich eine Rebsorte des Mainstreams. Sie hat auch nichts mit Alba im Piemont zu tun, sondern kommt aus der Gemeinde Morro d’Alba unweit Ancona im Weinbaugebiet Marken. Sie hatte ein ähnliches Schicksal wie andere alte Sorten, die ein eigenständiges Aroma haben und in der Pflege anspruchsvoll und anfällig für Krankheiten sind. Weil sie zu wenig rentabel und ergiebig waren, wurden die Stöcke ausgerissen und mit sogenannten internationalen Sorten wie Chardonnay, Cabernet Sauvignon oder Merlot ersetzt. Bis sie fast ausgestorben waren. Sie erinnern sich: dem Completer im Bündnerland ist es nicht besser ergangen. Die Globalisierung im Weinbau. Wir kennen das von anderen Branchen. Fast überall, wo wir hinkommen auf der Welt, gibt es die gleichen grossen Supermarkt- und Kleiderketten. Die Kleinen sind nicht mehr konkurrenzfähig und gehen ein.
Es gibt ja zum Glück auch einen Gegentrend zu dieser Vereinheitlichung. Da und dort öffnen wieder Quartierläden und Spezialgeschäfte und versuchen, den Riesen die Stirn zu bieten. Nun, diese Gegenbewegung gibt es auch im Weinbau und die Sorte Lacrima di Morro d’Alba hat überlebt! Zum Glück. Denn von der Aromatik her suchen die Lacrimaweine ihresgleichen in der Rotweinwelt: ein intensiver Duft von Rosen, Veilchen, Gewürzen und Walderdbeeren zeichnet sie aus, zudem haben sie wenig Tannin und Alkohol. Mit 16 – 18 Grad serviert, begleiten sie Antipasti, Pizze, Pasta, weisses Fleisch, Pilzgerichte (ohne Rahm zubereitet!) und natürlich den traditionellen brodetto di pesce all’anconetana.
Was aber hat es mit dem Namen Lacrima – Träne – auf sich? Die mittelgrossen, tiefblauen Traubenbeeren haben eine sehr empfindliche Schale, die anfällig auf Risse ist. Durch diese tropft Saft aus den Beeren – es sieht aus, als ob sie weinen würden.
Aus unserer Perspektive gibt es allerdings keinen Grund zum Weinen. Die Traube hat überlebt und das Spezialgeschäft führt den Wein im Sortiment!

Zur Autorin

Im Wein soll die Wahrheit liegen, sagten die Römer. Und die ist bekanntlich subjektiv – genauso wie Wein letztlich Geschmackssache ist. Barbara Maey bloggt als La Terroiriste über ihre Wahrheiten und Lieblingsweine, aber auch über Anbaumethoden und den gesellschaftlichen Umgang mit Alkohol. Viel Spass bei der Lektüre!


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